Was soll man mit Kindern und Jugendlichen tun, mit denen keiner zurecht kommt? Die ihre Mitmenschen nur nerven, stören, belästigen, bedrohen? Bei denen die Eltern überfordert oder desinteressiert sind? Die, wenn sie in der Schule überhaupt mal auftauchen, einen geregelten Schulunterricht binnen kürzester Zeit zum Erliegen bringen? Und mit welchem Begriff kann man diese Kinder beschreiben? „Der Begriff ‚Systemsprenger‘ hat Karriere gemacht“, stellte Prof. Klaus Wolf von der Universität Siegen fest. Bei einer Fachveranstaltung der KJF Akademie sprach er vor rund 300 Pädagogen unterschiedlichster Ausbildungswege über diese Kinder und Jugendlichen, die ihr Umfeld vor besondere Herausforderungen stellen. Aus Sicht des Erziehungswissenschaftlers warnte Wolf vor der Annahme, man könne durch gezieltes pädagogisches Arbeiten Menschen verändern. Die Pädagogik könne Material bereitstellen, doch die Veränderung müsse jeder Mensch an sich selber vornehmen, so der Professor. „Die lernen selber, das können wir nicht.“
Dass es diese Systemsprenger nicht erst seit kurzem gibt, führte Prof. Michele Noterdaeme aus. Der Friederich werde ja schon im 1844 entstandenen Buch Struwwelpeter Wüterich genannt – eine fast 200 Jahre alte Beschreibung dessen, dass manche schon damals das gesellschaftliche System sprengten. Mit Klaus Wolf war sie sich einig, dass jeder Mensch und jede Situation anders ist und man daher genau hinschauen und unterscheiden müsse, was denn mit dem jeweiligen Kind oder Jugendlichen los sei. „Es geht um Verstehen, nicht um Verständnis“, so die Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der KJF Fachklinik Josefinum.
Franz-Josef Schwarzkopf, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KJF, sah in der Frage nach dem Umgang mit diesen Kindern „ein Thema, das uns an Grenzen bringt“. Er verwies auf den Anspruch der KJF, dass kein Kind und kein Jugendlicher verloren gehen darf, auch wenn dies die Mitarbeiter in den Einrichtungen im Alltag bisweilen vor sehr große Herausforderungen stelle.
Dass sich diese Anstrengung lohnt ist wissenschaftlich nachgewiesen, wie Prof. Michael Macsenaere aus Mainz sagte. Er hat verschiedene Studien und Untersuchungen über sehr schwierige Jugendliche und die ihnen zugekommene Unterstützung aus dem System der Kinder- und Jugendhilfe ausgewertet. Sein Fazit: in 70 Prozent der Fälle wird eine Besserung des Verhaltens und der gesamten Situation erreicht. Und jeder Euro, den die Gesellschaft in die Jugendhilfe investiert, bringt einen Gewinn von mindestens drei Euro für die Gesellschaft zurück. Macsenaere wies auch darauf hin, dass die jeweilige Hilfe erst dann ihre volle Wirkung entfalten könne, wenn man dem Heranwachsenden die Zeit gebe, dass die angebotene Unterstützung auch ihre Wirkung entfalten könne. Vereinfacht könne man sagen: „Je länger, desto besser“, so Macsenaere.